Entengrütze-Diät: Helfen Wasserlinsen wirklich beim Abnehmen? (2025)

Superfood oder Entenfutter?

Grüne Wasserlinsen – auch bekannt als Entengrütze oder Mankai – gelten als sogenanntes Superfood. Sie sollen nicht nur sehr gesund sein, sondern angeblich auch das Abnehmen unterstützen. Tatsächlich?

Von Sabine Meuter • Wissenschaftliche Prüfung: Dr. Andreas Baum (Internist), 16.01.2025

Grüne Wasserlinsen, also Entengrütze, essen? Klingt zunächst überhaupt nicht so, dass man zulangen möchte. Doch die sogenannten micro greens (auch green micros; auf Deutsch etwa: sehr kleine Gemüsepflanze) haben es in sich, was gesunde Inhaltsstoffe angeht.

In Teilen Asiens sind sie seit eh und je ein gern konsumiertes Gemüse, das sich auch in Suppen oder als Zutat in Getränken gut macht. In Europa ist die Pflanze erst seit 2021 als Lebensmittel zugelassen. „Hierzulande waren grüne Wasserlinsen als Nahrungsmittel bis vor einigen Jahren weitestgehend unbekannt“, sagt der Lübecker Ernährungswissenschaftler Prof. Dr. Martin Smollich. Er ist Leiter der Arbeitsgruppe Pharmakonutrition am Institut für Ernährungsmedizin des Universitätsklinikums Schleswig-Holstein. Dort erforscht er das Zusammenspiel aus Arzneimittel- und Ernährungstherapie.

Warum der Name Entengrütze?

Wasserlinsen sind kleine, etwa drei bis vier Millimeter große Wasserpflanzen. Sie vermehren sich sehr schnell. Bei sommerlichen Temperaturen bilden sie sich auf stehenden Gewässern wie Teichen. Wasserlinsen gelten als ein beliebtes Futter für Enten, die sich auf und an den Teichen aufhalten – daher der Name Entengrütze. Inzwischen finden die green micros auch bei Menschen in Europa, die auf eine gesundheitsbewusste Ernährung achten, immer mehr Anklang.

Spricht etwas dafür, Entengrütze zu essen?

Die Wasserlinsen bestehen zu rund 96 Prozent aus Wasser. Sie punkten aber auch als pflanzliche Eiweißquelle, sie sind also eine gute Alternative zu tierischem Eiweiß. „Bezogen auf das Trockengewicht steckt in den Wasserlinsen doppelt so viel Protein wie in Rinderfilet“, sagt Smollich – und das ist schon als gute Eiweißquelle bekannt. Proteine benötigt der menschliche Körper unter anderem, um Muskeln und Knochen zu bilden. Zudem enthält Entengrütze wertvolle Omega-3-Fettsäuren. Sie sind unter anderem auch an der Regulation des Blutdrucks sowie der Nierenfunktion beteiligt.

Ebenfalls für Wasserlinsen spricht, dass sie einen hohen Anteil an Antioxidantien aufweisen, die im Körper gegen sogenannte freie Radikale schützen. „Auch enthalten Wasserlinsen sogenannte Polyphenole, die im Körper entzündungshemmend wirken“, sagt die Hamburger Ernährungswissenschaftlerin Alexandra Krotz. In Wasserlinsen stecken außerdem Ballaststoffe, Vitamine und Mineralstoffe.

Ist es allgemein sinnvoll, Entengrütze in die Ernährung zu integrieren?

„Ja, durchaus“, sagt Smollich. So ist nicht zuletzt aus ökologischen Gründen immer wieder die Rede davon, weniger Fleisch zu essen. Um den Körper dann ausreichend mit Proteinen zu versorgen, kann es sinnvoll sein, auf Entengrütze zu setzen. Und für alle, die sich streng vegan oder vegetarisch ernähren, können Wasserlinsen ohnehin eine gute Proteinquelle sein. „Auch wegen ihrer anderen gesundheitsfördernden Inhaltsstoffen können Wasserlinsen ein guter Baustein in einer insgesamt ausgewogenen Ernährung sein“, so Krotz.

Gibt es negative Aspekte, wenn man Wasserlinsen isst?

Ja. Wasserlinsen nehmen nicht nur nützliche Spurenelemente aus dem Wasser auf, sondern auch mögliche Schadstoffe. Zum Beispiel Mangan. „Dieser Stoff kann toxisch wirken und schlimmstenfalls Nervenschäden auslösen“, sagt Smollich. Doch dafür muss man einiges an Mangan zu sich nehmen. Die sichere tägliche Höchstgrenze beträgt 8 Milligramm. Daher empfiehlt es sich, Wasserlinsen nicht selbst aus Gewässern zu ernten. Vielmehr sollten sie im Handel gekauft werden und aus kontrollierter Aquakultur stammen. „Zudem kann Entengrütze, wie viele andere Lebensmittel auch, allergische Reaktionen auslösen“, sagt Krotz.

Kann Entengrütze beim Abnehmen helfen?

In den sozialen Medien ist das Thema Abnehmen mit Entengrütze ein Trend: das Lebensmittel soll beim Gewichtsreduzieren besonders hilfreich sein. „Wissenschaftlich ist das nicht eindeutig belegt“, sagt Smollich. Insgesamt ist die Datenbasis sehr dünn.

Laut einer Studie, die internationale Forschende im Fachblatt Diabetes Care veröffentlichten, zeigten sich bei einem Versuch mit übergewichtigen Probanden ermutigende Ergebnisse bezüglich des Blutzuckerspiegels. Hintergrund war das Auslassen des Abendessens, alternativ gab es Shakes. Die Forschenden beobachteten, wie sich der Konsum eines Entengrütze-Shakes verglichen mit einem joghurthaltigen Shake auswirkte. Sie fanden heraus, dass Entengrütze den Blutzuckerspiegel geringer ansteigen ließ als die Alternative. Zudem ging nach dem Entengrützen-Verzehr der Blutzuckerwert rascher auf seinen Ausgangspunkt zurück als beim Trinken des Iso-Kohlenhydrat-Protein-Shakes

Das legt die Annahme nahe, dass Entengrütze womöglich eine bessere Blutzuckerkontrolle ermöglicht. Ein stark schwankender Blutzuckerspiegel gilt als wichtige Ursache für Heißhunger und damit Abnehmprobleme. Aber der Entengrützen-Effekt ist noch nicht ausreichend belegt. „Um dies zu untermauern, sind aber noch weitere Studien durchzuführen“, so Smollich.

Ein internationales Forscherteam unter israelischer Leitung hatte in der sogenannten DIRECT PLUS-Studie, die im September 2022 im Fachblatt BMC Medicine veröffentlicht wurde, eine „grüne“ Mittelmeerdiät untersucht. Dabei ging es um die Frage, ob diese Diät den Anteil des Viszeralfetts im Körper – das ist Fett, das sich um die Organe legt – verringert. Den Probanden wurde auferlegt, jeden Morgen einen Shake aus Wasserlinsen zu trinken. Das Ergebnis: Innerhalb eines halben Jahres reduzierte sich bei den Teilnehmenden das Viszeralfett deutlich. Sie verloren davon im Schnitt 6,2 Kilogramm. Auch verbesserten sich die Blutwerte. Die Entengrütze war Teil eines Maßnahmenpakets, bei dem auch Grüner Tee und Bewegung eine Rolle spielten. Wichtig: In der Studie findet sich der ausdrückliche Hinweis auf mögliche Interessenkonflikte von Beteiligten. So berät eine der Forscherinnen, Iris Shai, den Ernährungsausschuss der israelischen Firma Hinoman, die Mankai vermarktet. Der Wissenschaftler Ilan Youngster ist medizinischer Berater für das israelische Startup Mybiotics, das ebenfalls mit Mankai handelt.

Auch die Ergebnisse der Studie müssen vorsichtig interpretiert werden: „Ob die positiven Effekte allein auf die Entengrütze-Shakes zurückzuführen sind, ist nicht erwiesen“, erläutert Smollich. Denn die Probanden der grünen Mittelmeerdiät hatten ein strenges tägliches Kalorien-Limit und mussten zudem regelmäßig Sport treiben. Fleisch durften sie nur sehr wenig essen. Um den Proteinbedarf zu decken, standen neben Entengrütze-Shakes auch Walnüsse auf dem Speiseplan. Zudem tranken sie grünen Tee.

„Entengrütze-Shakes sind kein Zaubermittel“, betont Smollich. Man könne nicht einfach jeden Tag einen solchen Shake trinken und glauben, man dürfe sich ansonsten weiter ungesund ernähren und wenig bewegen. „Das funktioniert nicht, zumal ja auch nicht klar erwiesen ist, dass Entengrütze-Shakes tatsächlich beim Abnehmen helfen“, so Smollich.

Was hilft sicher, wenn man ein paar Kilo Körpergewicht loswerden will?

Wer abnehmen möchte, muss die Kalorienzufuhr insgesamt an seinen Bedarf anpassen, sich ausgewogen und vitaminreich ernähren und zugleich möglichst viel Bewegung in den Alltag einbauen. Wichtig: Kalorienzählen ist weniger hilfreich als der Blick darauf, woher die Kalorien genau stammen. Denn die unterschiedlichen Wirkweisen im Körper führen möglicherweise zu unerwünschten Effekten, wie etwa beim rasch ansteigenden Blutzuckerspiegel.

Fünf Punkte, die hierbei wichtig sind:

• Viel Wasser trinken: „Wasser trägt dazu bei, den Appetit zu zügeln“, so Smollich. Zudem hilft es dabei, Kalorien zu verbrennen. Die empfohlene Trinkmenge liegt bei 1,5 bis 2 Liter Wasser pro Tag.
• Fertiggerichte, vor allem mit verarbeiteten Kohlenhydraten und Zucker, meiden, stattdessen viel Gemüse essen (mindestens ca. 400 Gramm pro Tag). „In Fertiggerichten stecken oftmals viel Salz und Zucker, zudem gesättigte Fettsäuren“, sagt Krotz. Deutlich gesünder ist es ihr zufolge, frisch zu kochen und dabei auf möglichst viel vitaminreiches Gemüse zu setzen.
• Auf proteinreiche Nahrung setzen: Proteine sorgen dafür, dass ein Sättigungsgefühl anhält. Dagegen erzeugen Kohlenhydrate schon nach kurzer Zeit wieder ein Hungergefühl. Viele Proteine stecken etwa in Hülsenfrüchten, Nüssen und auch in Fleisch.
• Achtsam essen: „Von Vorteil ist es, langsam und mit Bedacht zu essen“, so Krotz. So nimmt man die Nahrung bewusst auf und isst nicht einfach weiter, obwohl man womöglich gar keinen Hunger mehr hat.
• Stress reduzieren: Wer Stress hat, neigt oftmals dazu, dies mit übermäßig viel kalorienreicher Nahrung zu kompensieren. „Daher ist es oft für Abnehmwillige sinnvoll, Stress zu reduzieren – etwa mit Autogenem Training“, so Krotz.